INTERVIEW

Interview mit der Künstlerin Verdiana Albano über ihre Ausstellung „On The Vastness of Idendities“.

1 - Verdiana, kannst du dich vorstellen? Dein Werdegang, deine Inspirationsquellen, deine Motivation als Künstlerin.

Kunst verbindet und schafft es, in einem neuen Rahmen Gegebenheiten zu betrachten, die sonst vielleicht schwer auszusprechen, zu sehen oder zu greifen sind. Für mich ist es daher sehr wichtig, zeitgenössische Kunst zu nutzen, um aktuelle Geschehnisse zu thematisieren. Das muss nicht direkt durch die Werke selbst ersichtlich sein, doch sie sollten zu Formaten einladen, die erweiterte Diskurse ermöglichen. Seit der Gründung des Netzwerks vergangenes Jahr, ist Institute Contemporary - For Afro-European Art Affairs als ein solches Format gedacht. Mit Blick auf die niederschlagenden Ergebnisse der diesjährigen Europawahlen trifft es vielleicht auch genau einen wunden Punkt, an der Stelle, an der derzeit von vielen Seiten Redebedarf benötigt wird, um für ein gemeinsames und diverses Europa aktiv einzustehen und das eben auch innerhalb der zeitgenössischen Künste.

Für mich persönlich stand der grundsätzliche Vorteil von kultureller und intellektueller Vielfalt innerhalb einer Gesellschaft nie zur Debatte, da ich selbst in einem angolanisch-deutschen Haushalt aufgewachsen bin und so sehen konnte, wie schön es sein kann, verschiedene Kulturen unter einem Dach zu haben. Es zeigt einem auf, dass nicht alle Regeln in Stein gemeißelt sind und Menschen mit gleichen Problemen oder Freunden unterschiedlich umgehen. Daher war für mich auch in der Fotografie schnell klar, dass ich in viele verschiedene Länder reisen werde, um die Orte auf mich wirken zu lassen und auch mit den Menschen direkt zu sprechen. 2019 war es mir dann erstmals möglich, in Chongqing, China zu leben und eine Serie zu realisieren. Meine anschließende Diplomarbeit 2021 handelt von der Honigindustrie und den damit verbundenen ökonomischen Beziehung zwischen Deutschland und Mexiko. 2022 folgte eine Reise zu aktuellen Bauprojekten der Belt and Road Initiative weltweit, also der Neuen Seidenstraße. Daher war es für mich auch naheliegend für die diesjährig in Arles ausgestellte Arbeit “Nothing half, nothing whole” an Orte zu reisen, an denen Afrika und Europa ganz natürlich zusammenkommen. Das Reisen hilft mir immer wieder dabei, soziale, wirtschaftliche und natürliche Phänomene in den Künsten einzuordnen. Natürlich schaue ich mir in allen Ländern auch zeitgenössische Ausstellung von Ikonen und auch von jungen Künstler:innen an.

2 - Wie entstand die Idee zu der Ausstellung On the Vastness of our Identities? Was sind deine verschiedenen Rollen in diesem Projekt und welche Beziehung hast du zu den verschiedenen Künstler:innen?

On the Vastness of our Identities beschreibt genau das, worum es bei der Ausstellung geht: Das Aufzeigen der vielen verschiedenen Weiten unserer Identitäten. Unsere Welt ist voller Bewegung und Vielfalt, die es zu zelebrieren gilt. Sie ermöglicht es, voneinander Neues zu lernen und aktuelle Systeme bis hin zum eigenen Individuum zu reflektieren. Institute Contemporary zelebriert kulturelle Vielfalt und zeigt einige Perspektiven, mit denen sich zeitgenössische Künstler:innen, die verschiedene Kulturen in sich tragen, beschäftigen.

In der Vergangenheit gab es immer wieder wichtige Stimmen, die Afro-Europäische Identitäten definierten und sich vor Ort und in der Diaspora aktiv einsetzten. Wir schließen genau an den Punkten an, an denen Kulturen bereits zusammengetroffen sind und etwas Neues aus mehreren Teilen gebildet haben. In extrem schönen Gesprächen hat sich bisher gezeigt, dass uns Ähnliches, wenn auch nuanciert Verschiedenes, beschäftigt. Ich schätze, das liegt daran, dass wir nicht nur an ähnlichen Punkten in unseren Karrieren stehen, sondern auch daran, dass wir Afrika und Europa, vielleicht auch die Welt im Allgemeinen, nicht als separierte Kontinente betrachten, sondern als ein sich beeinflussendes Ganzes. Daher weichen wir auch die harten Grenzen der künstlerischen Disziplinen auf und arbeiten ebenfalls multi- und interdisziplinär.

Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit den Künstler:innen entstanden, bei denen ich, Dank der Unterstützung durch das Allianz Foundation Fellowship, nun zu Projektbeginn die Leitung und Kuration übernommen habe. Das war natürlich eine große Herausforderung, die sich nur Dank dem Engagement und Energie der Künstler:innen und weiteren Kurator:innen, mit denen ich über das Projekt sprechen konnte, bewältigen ließ. Dabei traf ich auf viel Wohlwollen des Netzwerks gegenüber und wünsche mir sehr, dass es in den nächsten Jahren weiter wächst und wir so gemeinsam viele weitere Ausstellungen realisieren können. On the Vastness of our Identities haben Delali Ayivi, Maryam Touzani, Ange-Frédéric Koffi, Monika Ribeiro und mich heute zusammengebracht – hoffentlich können sich in Zukunft weitere Künstler:innen, Interessierte und Unterstützer:innen anschließen!

3 - Es ist nicht das erste Mal, dass du deine Arbeit in Arles ausstellst, oder? Was bedeuten Les Rencontres für dich?

Das erste Mal habe ich 2023 in Arles ausgestellt. Damals wurde ich von der Deutschen Börse Photography Foundation dazu eingeladen, eine Ausstellung zur Arbeit “surrounded”, die ich in China 2019 anfertigte, zu realisieren. Mir haben der Charme in dem südfranzösischen Städtchen und die tiefgründigen Gespräche über meine Arbeit so gut gefallen, dass ich unbedingt wiederkommen wollte.

Ende letzten Jahres wurden wir vom Fotohaus ParisBerlin überraschenderweise dazu eingeladen, die erste Ausstellung von Institute Contemporary während des diesjährigen Festivals in der gemeinnützigen Foundation Manuel Rivera-Ortiz zu realisieren. Les Rencontres d’Arles hat dabei natürlich einen besonderen Stellenwert für die Fotografie, die auf beispielsweise den Biennalen oft nicht vergleichbar präsent ist. Hier geht es darum, voll und ganz Ikonen und Newcomer zu zelebrieren – und das auch noch in einer der Regionen, die Afrika und Europa nur durch Wasser voneinander trennen. Das hat natürlich auch eine besondere Bedeutung für das Netzwerk und unsere aufstrebenden Afro-Europäischen Künstler:innen.

4 - Du hast WhiteWall angefragt, um dein Projekt zu unterstützen - was hat dich dazu bewegt? Wie empfandest du die Zusammenarbeit bisher?

WhiteWall ist mir schon seit dem Studium als zuverlässige und professionelle Wahl für Prints bekannt. Daher habe ich bei WhiteWall schon häufiger Exponate für Ausstellungen produzieren lassen. Für mich ist ein riesiger Pluspunkt, dass ich die Stores in den großen Städten direkt mit meinen Druckdaten besuchen und so die Druckdaten am kalibrierten Bildschirm ansehen kann, bevor sie in den Druck gehen. Gerade bei diesem Projekt war dies enorm hilfreich, da wir mit internationalen Künstler:innen zusammenarbeiten und für die Ausstellung neu produzieren wollten. Dafür traf ich auf Verständnis von allen Seiten, sodass auch die Organisation gut verlaufen konnte. WhiteWall hat sich immer Zeit genommen, alle Fragen rund um Papier, Rahmen und Gläser millimetergenau zu beantworten!

Foto : Rear Mirror von Verdiana Albano - 2022 - Nevada

Kurzprofil Verdiana Albano

Verdiana Albano (*1993, Meerane), ist eine deutsch-angolanische Künstlerin, die in Frankfurt und Hamburg lebt und arbeitet. Sie schloss ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach mit den Schwerpunkten Fotografie und Bildhauerei im November 2021 ab. In dieser Zeit lebte und studierte sie 2019 am Sichuan Fine Arts Institute in Chongqing, China. Im Jahr 2020 erhielt sie den HfG Fotoförderpreis der Deutsche Börse Photography Foundation für ihre dokumentarische Serie über die Megacity Chongqing, die seit 2021 Teil der Art Collection Deutsche Börse ist und während Les Rencontres 2023 zu sehen war. Albano erhielt den ISO 5000 Preis der Hans und Annemarie Weidmann Stiftung, Bayern Innovativ's Junge Kunst und neue Wege Stipendium und das Neustart Plus Stipendiums der Stiftung Kunstfonds. Derzeit ist sie Allianz Foundation Fellow, »follow up Talent des Hauses der Photographie Hamburg (Deichtorhallen) und FUTURES-Photography Talent. Institute Contemporary gründete sie 2023 als Netzwerk für Afro-Europäische Künstler:innen durch ihr Allianz Foundation Fellowship.

© Verdiana Albano, Selbstportrait, Auckland (NZ), 2022.

Foto Verdiana Albano.