Bildaufbau, Bildkomposition & Bildwirkung in der Fotografie
Von Lisa Brettschneider - Mi, 10.04.2019 - 17:58
© Michael Schlegel, WhiteWall.com
Der Bildaufbau einer Fotografie, auch Bildkomposition genannt, entscheidet oft, wie ein Bild auf den Betrachter wirkt. Hier bekommen Sie wertvolle und praxisnahe Hinweise, um die Wirkung Ihrer Fotos gezielter zu gestalten.
Blickführung durch Bildkomposition
Das Auge tastet jedes Bild ab und wird dabei von bestimmten Elementen mehr angezogen als von anderen. Helle Flecken und starke Kontraste, Gesichter sowie Buchstaben ziehen den Blick an, Linien ziehen ihn in eine Richtung. Wenn der Bildaufbau das Auge dabei unterstützt, die wesentlichen Details zu erfassen, wirkt das Bild insgesamt stimmiger. Der Bildaufbau kann sogar dazu führen, dass sich bestimmte Objekte zu bewegen scheinen, weil durch die Komposition des Bildes eine Dynamik entsteht oder ein Ausgleichsbestreben angedeutet wird. Sie erzeugen Bewegung im Bild, wenn Sie Objekte etwas weiter außen anordnen, als sie harmonisch im Format sitzen würden, wenn Sie Objekte an schrägen Linien anordnen oder perspektivische Verzeichnung nutzen, um Bildteile schräg ins Bild ragen zu lassen. Homogene Flächen geben dem Blick kaum Halt. Beobachten Sie sich selbst, welchen Weg die Augen nehmen, wenn Sie ein gutes Bild erfassen. Versuchen Sie nachzuvollziehen, was der Fotograf unternommen hat, damit sich das Bild so gut erschließt.
Das linke Bild wurde gespiegelt. Hier wandert der Blick zur vorderen Kante der Lok, von wo er nach rechts zum Fluchtpunkt gezogen wird. Die Lok scheint wegzufahren. Im Originalbild (rechts) ziehen die weißen Linien den Blick zur Front der Lok, wo er fast zur Ruhe kommt. Die Lok scheint anzukommen oder zumindest zu stehen.
Diagonale
Eine Linie, die schräg die Ecken des Formats verbindet, nennt man Diagonale. Durch die Leserichtung von links nach rechts wird eine Diagonale, die von links oben nach rechts unten führt, als absteigend bezeichnet, von links unten nach rechts oben als aufsteigend. Eine absteigende Diagonale ist ruhiger und weniger spannungsvoll, Sie leitet den Blick manchmal zu schnell wieder aus dem Bild. Trotzdem bringt sie viel mehr Bewegung ins Bild, als es waage- oder senkrechte Linien vermögen. Eine aufsteigende Diagonale hält den Blick länger im Bild und wirkt anregender.
Die absteigende Diagonale im linken Bild ergibt einen eher ruhigen Bildaufbau, der Blick wird allerdings sehr schnell aus dem Bild geführt, und der Betrachter verbringt wenig Zeit mit den Details. Auf der rechten Seite wurde das Bild gespiegelt, um den Unterschied zur aufsteigenden Diagonale zu verdeutlichen. Der Blick wird hier eher im Bild gehalten, um sich mit den Häuserfassaden der Hafenpromenade von Porto zu beschäftigen. Das Bild wirkt insgesamt etwas lebendiger.
Horizont
Wenn Sie die Kamera gerade halten, liegt der Horizont in der Mitte des Bildes. Häufig sieht man den Horizont nicht, weil er durch Objekte im Vordergrund verdeckt ist, allerdings wird auch dann der Fluchtpunkt auf der Horizontlinie liegen. Bei geometrischen Motiven wird man also immer erahnen, wo der Horizont liegt. Ein Horizont in der Mitte ist spannungslos, führt nicht zu stürzenden Linien und ergibt oft die langweiligste mögliche Bildvariante. Den Horizont aus der Bildmitte zu rücken, ist also meistens ein Vorteil, dabei beeinflusst die resultierende Lage des Horizonts die Bildstimmung stark. Wenn Sie den Horizont weit unten ins Bild legen, wird die Ferne und Weite der Landschaft betont, das Bild wirkt leicht und offen und im wahrsten Sinne des Wortes luftig, weil der Himmel einen großen Teil des Bildes einnimmt. Wenn Sie den Horizont im Bild nach oben setzen, betonen Sie die Schwere und die Nähe. Das Objektiv ist nach unten geneigt und erfasst mehr vom Boden. Sie erzeugen durch eine solche Bildaufteilung eine Landschaft, durch die das Auge hindurchwandern kann, bis es an die Himmelskante stößt. Natürlich kann der Horizont auch unterhalb oder oberhalb der Bildgrenzen liegen, was zur Vereinfachung des Bildaufbaus beiträgt. Wenn der Horizont oberhalb liegt, bekommt das Bild etwas Geschlossenes, wenn er unterhalb liegt, steht das Motiv gegen den Himmel oder es ist der Himmel selbst.
Im linken Bild, kann der Blick nicht zum Horizont abwandern, sondern bleibt im Bild. Der Bildaufbau wird grafischer und klarer. Der tief liegende Horizont im rechten lässt das Bild sehr leicht und luftig wirken.
Wandbild-Tipp:
Das rechte Strandbild würden wir wegen der besonderen Tiefenwirkung als Foto auf Acrylglas kaschieren.
Symmetrie
In der Natur kommt Symmetrie erstaunlich häufig vor. Sie selbst sind, zumindest weitgehend, spiegelsymmetrisch. Das gilt für einen großen Teil der Lebewesen und einen kleineren Teil der Pflanzen oder der Pflanzenteile. Symmetrie wird auf einer sehr tiefen Stufe der Wahrnehmung erkannt und auf eine sehr unmittelbare Weise als schön empfunden. Wenn Sie symmetrische Objekte fotografieren, dann sollten Sie die Symmetrie entweder exakt abbilden oder deutlich von ihr abweichen. Wenn Sie einen Innenraum aufnehmen, dann stellen Sie sich also entweder exakt in die Mitte und richten Ihre Kamera auf die Zentralachse aus, oder Sie verlassen die zentrale Achse deutlich und weichen bewusst von einer symmetrischen Darstellung ab. Ratsam ist es, bei einem symmetrischen Motiv immer auch eine exakt symmetrische Bildvariante mit anzufertigen.
Durch die lange Brennweite gibt es in diesem Bild keine perspektivische Verzeichnung, und die Tanks mit den Stegen wirken sehr grafisch.
Muster
Wenn unser Gehirn Regelmäßigkeiten erkennen kann, also wiederkehrende Elemente, die gleichmäßig angeordnet sind, dann empfinden wir das oft als schön. Bilder mit vielen Details werden durch eine Anordnung als Muster ruhiger und bekommen einen eigenen Reiz. Muster finden Sie in Technik, Architektur und der Natur, sie entstehen oft als Folge einer Eigenschaft des Objekts oder aus der Optimierung eines Bauplans, zum Beispiel bei Bienenwaben. Interessant ist es, die Muster mit einer Unregelmäßigkeit zu unterbrechen, besonders wenn diese das eigentliche Motiv darstellt. Um die Regelmäßigkeit in einem Motiv zu betonen, müssen Sie auf die Perspektive und die Bildränder achten. Das Muster wirkt dann am klarsten, wenn es nicht verzerrt ist und an den Kanten nicht unschön unterbrochen wird. Muster können Ihnen helfen, Ordnung in die Bildfläche zu bekommen und Motive leichter erfassbar zu machen, sie üben einen eigenen ästhetischen Reiz aus.
Das regelmäßige Raster des Gerüsts wurde recht unregelmäßig mit Planken ausgelegt. Die Konstruktion an diesem Wohnhaus wirkt so eher fragil und unsicher. Die Häuser verdichten sich zu einem leicht unregelmäßigen Muster. Das Bild wurde mit 400 mm Brennweite von einem nahen Berg aus aufgenommen.
Fotobuch-Tipp
Besonders ein Städte-Tripp eignet sich hervorragend für eine Architektur-Foto-Tour. Die lässt sich hinterher wunderbar als Fotobuch verweigen.
Dreieck
Wenn Sie drei Personen fotografieren möchten, ist es die langweiligste Variante, diese direkt nebeneinander anzuordnen. Wenn die Köpfe ein Dreieck bilden, ist die Komposition interessanter und das Bild meist schöner. Wenn das Dreieck mit der Spitze nach oben weist, wirkt der Aufbau am stabilsten und das Bild am ruhigsten. Mit der Spitze nach unten ist der Eindruck labiler. Wenn das Dreieck schräg steht, kommt mehr Dynamik ins Bild. Je nach gewünschtem Bildeindruck können unterschiedliche Anordnungen am besten wirken. Das Dreieck als Kompositionsprinzip wird nicht nur bei Gruppenaufnahmen bewusst wahrgenommen, es kann auch bei jedem anderen Motiv auftauchen und die Bildwirkung beeinflussen.
Das Dreieck der Köpfe steht schräg und bringt Dynamik ins Bild. Durch die mittige Position der Mutter und ihre Handhaltung vermittelt das Bild trotzdem eine gewisse Sicherheit. Der Kopf des Kindes bildet mit denen der Eltern ein auf der Spitze stehendes Dreieck. Das Kind wirkt zwischen den Eltern durch die Bildkomposition etwas verloren.
Punkte
Wenn die Bildelemente so klein werden, das sie als Fläche keine Rolle mehr spielen, ist nur noch ihr Ort, ihre Helligkeit und ihre Farbe wichtig. Sie werden dann gestalterisch als Punkte wahrgenommen. Ein Punkt kann durch seine Position eher ruhig sein oder Spannung aufbauen, er kann in einer Beziehung zu einer Fläche stehen oder mit mehreren Punkten einen fast musikalischen Zusammenhang bilden. Generell ist ein Punkt ein eher dynamisches Element. Der Betrachter verbindet die Orte der Punkte miteinander und so können Eckpunkte auch Formen oder Linienbögen erzeugen.
Die gelben Blüten vor dem Bach ziehen das Auge stark an, trotzdem wirkt das Bild relativ ruhig, weil die Punkte fast ein Gleichgewicht bilden.
Wandbild-Tipp:
Dieses Motiv würden wir als Foto auf Leinwand drucken.
Dynamischer und statischer Aufbau
Allein durch die Komposition können Sie ein Bild ruhig oder bewegt wirken lassen. Wenn Sie zum Beispiel vor einem Haus stehen, können Sie sich parallel vor die Fassade stellen und, falls Sie etwas nach oben fotografieren, die stürzenden Linien komplett ausgleichen. Das Ergebnis wird ein ruhiges Bild werden, wenn nicht die Architektur an sich schon sehr dynamisch ist. Oder Sie stellen sich an die Ecke des Hauses, nehmen die Fassade in die Flucht, gleichen die stürzenden Linien nicht aus und stellen, wenn Sie es auf die Spitze treiben wollen, die Kamera noch schräg. Die Senkrechten sind dann verschwunden, das Bild wird von Schrägen dominiert und das Haus scheint zu kippen. Manchmal macht zudem der Kontrast zwischen Inhalt und Gestaltung den Reiz eines Bildes aus. Auch wenn Sie das Bild sehr dynamisch aufbauen, sollten Sie auf ein Gleichgewicht in der Komposition achten.
Trotz des sehr dynamischen Aufbaus ist die Komposition sehr klar. Die Bildecken scheinen die Schrägen etwas aufzufangen, das Bild ist genau konstruiert worden.
Wandbild-Tipp:
Architektur-Fotografie drucken wir sehr gerne auf Alu-Dibond.
Einfachheit
Wenn Sie ein gutes Bild schaffen möchten, sollte Ihr Ziel sein, alles Unnötige wegzulassen, und nicht, alles Mögliche hinzuzugeben. Warum sollten Sie ein Element hinzufügen, das an sich keinen Sinn hat? Und warum sollten Sie ein Stilmittel verwenden, das für die Bildaussage keinen Gewinn bringt? Es ist nicht nur so, dass aufgeräumtere Bilder schneller verstanden werden, sie werden auch als schöner empfunden. Es kann Spaß machen, aus dieser Klarheit ab und zu auszubrechen und Bilder zu schaffen, die geradezu überladen sind, aber auf Dauer kommt man mit reduzierterer Gestaltung weiter. Wenn Sie ein schlichtes und klares Bild aufnehmen können, dann tun Sie das auch.
Links: Winterliche Abenddämmerung. Die Schärfe wurde auf die entfernten Äste gelegt. Ein Versuch, die Atmosphäre skizzenhaft einzufangen. Rechts: Ein besonders klares, schwarzweißes Bild.
Beschnitt
Nicht immer gelingt es, bereits bei der Aufnahme alle störenden Details außen vor zu lassen. Manchmal findet sich kein Ausschnitt, der wirklich stimmt und der in das vom Sensor vorgegebene Seitenverhältnis passt. Wenn Sie das Bild am eigenen Rechner betrachten, haben Sie mehr Ruhe als in der Aufnahmesituation und können oft durch den Beschnitt des Bildes ein sehr viel besseres Foto erzielen. Sei es, dass Sie etwas Störendes wegschneiden oder dass die Bildelemente im Endformat so sehr viel harmonischer angeordnet werden können.
Links: Dieses Bild wurde praktisch im Vorbeigehen geschossen. Das Motiv ist zu mittig und vieles auf dem Bild ist unwichtig. Das rechte Drittel trägt nichts zum Bild bei, der Zaun stört, und der gesamte Bereich links hinter dem Denkmal ist ebenfalls verzichtbar. Rechts: Nach dem Beschnitt hat das Motiv mehr Raum im Bild, das Format ist schöner und außer den Passanten lenkt kaum noch etwas ab.
Goldener Schnitt
Der berühmte "Goldene Schnitt" lässt sich mit den anderen hier genannten Mitteln kombinieren, um einen spannenden Bildaufbau zu erzeugen. Da die zentrale Positionierung eines Motivs oft als statisch oder uninteressant empfunden wird, findet ein Goldener Schnitt seit Jahrhunderten bildgestalterische Anwendung. Es entsteht eine beeindruckende Komposition, die auf den Betrachter ausgeglichen und harmonisch wirkt.
Fotos: Galileo Press / Unsplash / Stocksy