Einblicke in die konzeptionelle Fotografie | Victor Hamke
Von Lisa Brettschneider - So, 14.06.2015 - 07:00
Victor Hamke ist Fotograf mit einer Leidenschaft für die visuelle Kunst. Für WhiteWall verfasste er diesen Beitrag zur konzeptionellen Fotografie.
Vielleicht haben Sie sich selbst auch schon im Kreieren von digitalen Bildkompositionen versucht – für mich persönlich sind solche Composings ein wichtiger Bestandteil meiner fotografischen Arbeit: Sie erlauben es mir, Welten zu erschaffen, die in unserer Realität nicht existieren und erst durch den freien Lauf der Fantasie entstehen – um den Betrachter für einen Moment zu entrücken. Da der Bereich der Kompositionen sehr komplex ist und ein Blick auf ein Bild oft die Frage offen lässt, wie es entstanden sein könnte, möchte ich hier einen Einblick in meine Arbeit geben und ein paar Tipps mit Ihnen teilen. Es handelt sich hier um ein sogenanntes Levitation-Bild, was bedeutet, dass die gezeigte Person „schwebt“.
Was braucht man?
1. Eine Kamera.
Composings stellen dabei keine hohen Ansprüche an die Kamera. Man kann bereits mit minimalem Equipment tolle Ergebnisse erzielen. Sie sollten sich unbedingt angewöhnen, alle Aufnahmen im RAW-Format zu machen, da dieses in der späteren Bearbeitung deutlich flexibler ist.
2. Ein Stativ.
Ein Stativ wird für Levitation-Aufnahmen benötigt. Für die meisten anderen Formen von Composings ist ein Stativ oft nicht nötig.
3. Photoshop.
Auch andere Bildbearbeitungsprogramme eignen sich für die Bildbearbeitung, aber Photoshop ist aufgrund seiner Möglichkeiten und Benutzeroberfläche die Referenz.
Wie wird vorgegangen?
Im ersten Schritt wird die Szene aufgenommen. Diese sollte wohlüberlegt sein, denn sie ist nachträglich nicht mehr so leicht zu verändern.
Mit unveränderten Kameraeinstellungen (Blende, Verschlusszeit, ISO, manueller Fokus, Raw-Format) wird die Szene erneut festgehalten: Dieses Mal mit meinem Modell Katharina, auf einer Leiter stehend. Es folgten in etwa 100 Aufnahmen, allesamt mit leicht veränderter Pose und wetterbedingt variierender Dynamik. Dieses Bild wurde mit einer Canon 5D Mark II und einem Canon 24-70mm 2.8L aufgenommen. Für welche Pose ich mich in der Nachbearbeitung entschieden habe, sieht man hier:
In Photoshop wird das Bild mit Modell auf das Bild ohne Modell gelegt um auf der weißen Maske die unerwünschten Stellen (Leiter und Assistentin) mit einem schwarzen Pinsel „wegzumalen“, so dass an diesen Stellen nur noch der Hintergrund mit Wiese und Bäumen zu sehen ist. Im nächsten Schritt folgen allerlei kleine Details: Eine Uhr zum Beispiel (ich mag dieses Motiv als Element von Zeit und Vergänglichkeit) und auch das Buch wurde vergrößert und mit den Initialen von Katharina verziert.
Bei Kompositionen ist sehr viel Detailverliebtheit gefragt und an dieser Stelle sollte niemals Zeit gespart werden. Kleine Schattierungen, Farbanpassungen, Verformungen, Skalierungen. Mit allem darf (und muss) rumexperimentiert werden, bis es stimmig wirkt. Es ist zeitaufwendig, aber lohnenswert. Als mystisches oder fantastisches Element kommt hier ein Adler hinzu, der meine Protagonistin an einer Buchseite hängend davontragen sollte. Surreale oder märchenhafte Elemente spielen in vielen meiner Bilder eine Rolle und haben ihre ganz eigene, fesselnde Wirkung.
Das Kleid und die Haare werden größer, geschwungener, bewegter. Photoshop bietet hierzu mit den Verflüssigen- und Verformen-Werkzeugen quasi unbegrenzte Möglichkeiten.
Zu den Farben:
Ab und zu nutze ich Color-Lookups, um die Szene in ein einheitliches Farbspektrum zu tauchen. Zwei Farbkonzepte funktionieren erfahrungsgemäß sehr gut: A) Das gesamte Bild bewegt sich in einer bestimmten Farbwelt (bei diesem Bild war es am Ende ein Rot-Orange-Gelb). B) Man verwendet Komplementärfarben, um das Subjekt vom Hintergrund abzugrenzen und Tiefe zu erzeugen. Da Kompositionen meistens aus vielen verschiedenen Teilen mit teilweise sehr verschiedenen Farben bestehen, verwende ich am liebsten Variante A. Ein typisches Vorgehen ist, das gesamte Bild leicht zu entsättigen und eine neue Ebene mit der gewünschten Farbe zu füllen, sie im Ebenenmodus auf „Farbe“ zu setzen und ihr eine Deckkraft von etwa 7 Prozent zuzuweisen. Das gesamte Bild wird dadurch farblich einheitlicher.
Letzte Schritte
Ein häufiges Problem ist, dass die unterschiedlichen Komponenten verschiedene Auflösungen haben und deshalb „reingeklebt“ aussehen. Das kann man umgehen, wenn eine Körnigkeit auf das gesamte Bild angewendet wird – nicht zu stark, aber stark genug, um die Unterschiede in der Auflösung und in der Feinheit von Details aufzuheben. Nach vielen kleinen Änderungen, Ergänzungen, Farbkorrekturen, Verformungen, Schnitten, Maskierungen, usw. sieht mein fertiges Werk so aus:
Ich hoffe diese kleine Zusammenfassung hat Ihnen ein paar interessante Einblicke verschafft. Wenn Sie mehr von meiner Arbeit sehen wollen, besuchen Sie mich doch auf: www.facebook.com/victorhphotography