Wenn die Seele das Bild durchdringt - ein Interview mit Martin Neuhof
Von Andrea Bruchwitz - Di, 03.01.2017 - 15:32
© Martin Neuhof | www.martin-neuhof.com
Martin Neuhof zeigt Menschen, die durch ihre Mimik und Gestik ganze Lebensgeschichten erzählen. Der Leipziger Fotograf fängt visuelle Emotionen so eindrucksvoll ein, dass die Zeit stillsteht: Ruhe, Entspannung und Unbeschwertheit mischen sich zwischen subtile Trauer, zehrende Hoffnung und stumme Leere. Martin Neuhof spricht im Interview über seine Bildsprache und seine Inspirationen - berührend, ehrlich und höchst empathisch.
Du bist gelernter Mediengestalter, aber arbeitest seit einigen Jahren hauptberuflich als Fotograf - wie kam es zu dieser Entwicklung? Ich habe mich schon immer für die Bildgestaltung mit Photoshop interessiert und zum ersten Mal mit 14 Jahren ein Grafikprogramm geöffnet. Irgendwann wollte ich keine fremden Fotografien mehr bearbeiten, sondern meine eigenen Werke – allerdings besaß ich zu jenem Zeitpunkt keine eigene Spiegelreflexkamera, sondern musste regelmäßig die Kamera meines Vaters entführen. Dann kam der entscheidende Tag, an dem ich eine Webseite für einen Fotografen gestalten sollte. Ich sagte ihm, er solle mich nicht mit Geld bezahlen, sondern mir eine Spiegelreflexkamera „schenken“. Das war die Initialzündung. Ich glaube aber, der wirkliche Ursprung liegt bei meinem verstorbenen Opa, Friedrich Gahlbeck. Er war ein Meisterfotograf in der DDR, ist viel gereist und hat auf der ganzen Welt fotografiert. Ich habe noch Kindheitserinnerungen an jene Momente, in denen ich mit ihm in der Dunkelkammer stand. Leider ist er verstorben, als ich 14 Jahre alt war – er hat also nicht mehr mitbekommen, dass ich in seine Fußstapfen getreten bin. Ich hätte mich gerne mit ihm über Fotografie unterhalten.
© Martin Neuhof | www.martin-neuhof.com
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Dein Themenschwerpunkt ist die People-Fotografie. Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Ich setze Menschen gerne in Szene, dabei spielen Natürlichkeit, gutes Licht und verschiedene Farbwelten eine große Rolle. Ich mag es, mich in Menschen hineinzuversetzen und dabei wahrzunehmen, wie ein Mensch denkt oder fühlt. Doch auch der Gegensatz von dieser persönlichen Nähe reizt mich: die Reportage-Fotografie. Man ist ein stiller Beobachter und taucht in Welten ein, die ein normaler Mensch nicht sehen kann. Das ist sehr faszinierend.
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Mit welchem Equipment bist du unterwegs? Ich fotografiere schon immer mit Canon, am liebsten mit einem 28-mm-Objektiv. Doch auch experimentelle Linsen wie ein „Lensbaby“ oder das neu aufgelegte „Petzval“ zählen zu meinen ständigen Begleitern.
Welchen Stellenwert hat die digitale Nachbearbeitung für dich? Die Nachbearbeitung hat einen hohen Stellenwert für mich, dabei geht es mir aber nicht um das Glattbügeln der Haut oder die Entfremdung eines Menschen. Ich bearbeite gerne die Farbstimmung in meinen Fotos, weil ich dadurch den Ausdruck der Person verstärken kann. Dafür benutze ich Photoshop und Lightroom sehr gerne.
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Wer oder was inspiriert dich bei der Arbeit? Eigentlich inspiriert mich alles, was mich umgibt: ein guter Lichteinfall, meine Freunde, interessante Gespräche, Musik oder andere Fotografen. Der Querschnitt aus all diesen Faktoren ergibt dann meine Fotografien.
Du sagst, dass du dein Inneres durch die Fotografie auf andere Menschen projizierst. Bist du jemals an den Punkt gekommen, an dem du das Gefühl hattest, zu viel zu zeigen? Ich glaube nicht, dass man in Fotos „zu viel“ zeigen kann. Im Gegenteil: Umso ehrlicher die Fotos sind, umso mehr Menschen können sich damit identifizieren. Fotografie ist für mich eher ein Prozess des Erlebens und Durchlebens. Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß, sie besticht mit Millionen von Farben und diese würde ich gerne zeigen – manchmal grau, dann wieder lila. Jeder Mensch ist anders, wir haben Tausende Facetten und es ist mein Job, diese durch die Fotografie herauszukitzeln. Oft sind es versteckte, unterschwellige Botschaften, die ich in meinen Bildern platziere. Ich bin verdammt dankbar, mich durch meine Bilder ausdrücken zu dürfen.
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Was ist deiner Meinung nach ausschlaggebend, um in der Fotografiebranche erfolgreich zu sein? Ausdauer. Ich glaube, man kann sich nur über die Jahre hinweg entwickeln. Man sollte sich alle Bereiche der Fotografie zumindest einmal anschauen und sich nicht nur auf eine Schiene versteifen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, ein „kompletter“ Fotograf zu werden. Eine Spezialisierung ist immer gut, aber oft ist es eben auch die Vielfältigkeit, die einen Künstler weiterbringt. Wie ernst es einem mit der Fotografie ist, merkt man auch erst dann, wenn man ein paar Tiefpunkte durchlaufen hat.
Ist Fotografie ein erlernbares Handwerk oder kommt es hauptsächlich auf Talent an? Wer oder was sagt, dass man als Fotograf gut ist? Ein dickes Bankkonto, die Followerzahlen auf Instagram? Ich weiß es nicht. Es ist wichtig, einen eigenen fotografischen Stil zu entwickeln – das dauert einige Jahre. Wichtig ist auch, dass man diesen Stil dann kontinuierlich verfeinert und mit neuen Facetten anreichert. Wenn du deinen Stil gefunden hast, stelle dich darauf ein, nachgeahmt zu werden.
Hast du ein fotografisches Vorbild? Mir gefallen Salgado, Steven Gindler, Marat Safin und Laura Zalenga sehr gut.
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Benjamin Franklin sagte einmal: „Kritiker sind gute Freunde, die uns auf Fehler hinweisen.“ Wie gehst du mit Kritik um? Die Frage nach der Kritik ist immer eine wichtige, allerdings kommt es darauf an, wer diese Frage wie genau äußert. Die einfache Aussage „Sieht scheiße aus!“ bringt mich nicht wirklich weiter. Kritik muss fundiert sein – dann denke ich darüber nach und entscheide, ob sie gerechtfertigt ist oder eben nicht. Ich glaube, jeder Künstler muss Kritik für sich selbst einordnen. Ich sehe Plattformen wie Facebook und Instagram eher als eigene „Ladenfläche“: Wenn dort jemand öffentlich Kritik äußert, empfinde ich sie als Beschmutzung meiner Werbefläche. Ich selbst kritisiere seit Jahren nicht mehr öffentlich, wenn mir etwas auf dem Herzen brennt, sondern schreibe eine diskrete E-Mail. Diese Form der Äußerung ist oft persönlicher und eindringlicher.
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Was empfindet der Betrachter beim Ansehen eines wirklich gelungenen Fotos? Wenn der Betrachter etwas länger mit seinen Blicken verweilt, sich das Bild durch den Kopf gehen lässt und es sogar abspeichert, ist es ein gutes Bild. In der heutigen Zeit, wo jeden Tag unzählige Fotos auf den Betrachter einwirken, ist dies eine große Herausforderung für jeden Fotografen.
Portfolio von Martin Neuhof Webseite: www.martin-neuhof.com Facebook: www.fb.com/martin.neuhof.fotografie Instagram: www.instagram.com/martinneuhof