Arles - Hauptstadt der Fotografie
Jedes Jahr seit 1970 schon kommt die Welt der Fotografie nach Arles: Im Rahmen eines reichhaltigen, vielseitigen Programms und im intensiven Austausch wird dort die zeitgenössische Fotografie entdeckt und gefeiert. Neben dem offiziellen Programm "Les Rencontres d'Arles" stellen auch Künstler, Kollektive und Galerien ihre Projekte zur Schau. Arles hat in der Vergangenheit bereits viele renommierte Künstler begrüßt. Zudem ist das Festival ein Sprungbrett für neue Talente. Damit ist diese Kleinstadt im Süden Frankreichs zweifelsohne ein Zentrum für die künstlerische Fotografie − jedes Jahr reisen Tausende Besucher und Fotografiebegeisterte an.
"Golden Age" von Delphine Diallo - produziert von WhiteWall
WhiteWall hat einen Großteil der Ausstellung „Golden Age“ der Künsterlin Delphine Diallo − eine Mischung aus Fotos und Collagen − mitproduziert, die während des Les Rencontres in der Fisheye Gallery in Arles zu sehen ist. Mit dieser Ausstellung lädt uns die Fotografin in ihre anthropologische und spirituelle Weltsicht ein: Sie hatte Zugang zu einer Privatsammlung afrikanischer Kunstobjekte und konnte Artefakte auswählen, die sie über Porträts Schwarzer Frauen zum Sprechen bringt. Frauen, die − als afrikanische Königinnen in Szene gesetzt − sich dieser symbolischen und spirituellen, jahrhundertealten Objekte bemächtigen, um ihre Göttlichkeit zum Leben zu erwecken. Die Künstlerin engagiert sich feministisch und lädt über diese Porträtserie insbesondere zum Nachdenken über die Schwarze Frau und die Rolle ihres Körpers ein.
Für diese in monochromen Tönen gehaltene Serie wählte die Galerieleiterin und Kuratorin der Ausstellung Salomé d'Ornano matte Abzüge, die auf Alu Dibond kaschiert sind.
Foto: Delphine Diallo / TRANSMUTATION "The lost Kingdom"
Salomé d'Ornano, Leiterin der Fisheye Gallery
Salomé d'Ornano leitet die Fisheye Gallery in Arles und in Paris. Die Kunst- und Fotografie-Expertin spricht mit uns über ihre Erfahrung, darüber, was Les Rencontres in Arles für die internationale Fotografieszene bedeutet, und erklärt, warum sie im Rahmen des diesjährigen Festivals die Arbeiten von Delphine Diallo ausstellt. Salomé d'Ornano lebt in Paris und besucht regelmäßig Fotografie-Events der internationalen Kunstszene. Sie verrät uns, welche Künstler und Ausstellungen sie dieses Jahr bisher besonders begeistert haben.
Interview mit Galerieleiterin Salomé d'Ornano
Kannst du dich und deine Arbeit als Leiterin der Galerie Fisheye einmal kurz vorstellen?
Ich heiße Salomé d’Ornano und leite die Galerie Fisheye seit nun einem Jahr. Die Galerie hat ihren Sitz in Paris (Xe) und in Arles (rue Jouvène) und ist auf zeitgenössische Fotografie spezialisiert. Aktuell vertreten wir acht Fotografen, fünf Frauen und drei Männer unterschiedlicher Nationalität. Sie alle sind in ihrem Wirken und Werk ganz verschieden und die Vielfalt ihrer kreativen Visionen passt gut zum Selbstverständnis der Fisheye Gallery: die Grenzen kontemporärer Schaffenskraft neu auszuloten.
In einer Galerie zu arbeiten, erfordert vielseitiges Können. Es ist eine absolut faszinierende Tätigkeit. Ich kümmere mich um alles: die Beziehung zu den Künstlern, die Auswahl der Werke, die Szenografie, die Programmerstellung und alle Aktivitäten – in der Galerie und extern – wie auch um einen Großteil der Verwaltung. Was ich besonders an meinem Beruf schätze, ist die enge Beziehung zu den Künstlern, die wir vertreten. Für mich ist heute das Wichtigste, sie bis zum Ende ihrer Projekte und Vorhaben zu begleiten, aber auch, sie bekannt zu machen, speziell bei Sammlern.
Was ist für dich das Les Rencontres in Arles?
Les Rencontres in Arles ist ein besonders wertvolles Event, das es anderswo in der Form nicht gibt. Es sind Wochen, in denen sich die gesamte Fotografieszene Frankreichs, unter reger Beteiligung internationaler Künstler und Besucher, trifft. Ein belebender Moment voller Kreativität − und voller Begegnungen, wie der Name des Festivals schon sagt. Über die gesamte Festivaldauer präsent zu sein, entspringt dem Wunsch, dem Werk unserer Künstler auf der Bühne der Fotografie in Frankreich und weltweit Geltung zu verschaffen.
Warum hast du entschieden, während des Festivals die Arbeiten von Delphine Diallo in der Galerie auszustellen? Was ist das Besondere ihres Werkes?
Delphine Diallo ist eine fantastische, facettenreiche Künstlerin, deren soziales und vor allem feministisches Engagement notwendiger denn je ist. Diese Fotografin führt nicht nur ein ungewöhnliches Leben, sondern auch ihr Werdegang ist, seit sie die Académie Charpentier besucht hat, untypisch – sie war die Assistentin von Peter Beard und lebt und arbeitet heute in Paris, New York und Dakar. In ihrem Werk mischen sich Fotografien und Collagen. Damit ist sie auf diesem Markt etwas Besonderes. Ihr hybrides und originales Werk steht daher mit einem Bein in der zeitgenössischen Kunst. Es erscheint mir wichtig, eine Künstlerin, die tiefe Überzeugungen vertritt, im Rahmen eines Festivals auszustellen, das so viel Renommee besitzt wie Les Rencontres in Arles.
Welches sind bisher deine besten Entdeckungen des Jahres in der Fotografie? Kannst du deine „Lieblingsfunde“ mit uns teilen?
Dieses Jahr gab es bereits viel in Paris zu entdecken, etwa die kollektive Ausstellung Love Songs im Maison européenne de la photographie, Femmes photographes de guerre im Musée de la Libération, Photographies en guerre im Musée de l'armée, die Eröffnung der Sammlung im Musée Albert Khan, aktuell August Sanders im Centre Pompidou und noch so viel mehr … Es ist schwierig, das alles zu teilen, aber mich hat besonders die Ausstellung Femmes photographes de guerre berührt. Zu diesem Thema habe ich im Studium und auch danach viel gearbeitet. Für mich hat es Vorrang, Fotografinnen sichtbarer zu machen, um die Geschichte aus dem Blickwinkel der Frauen umschreiben zu können. Kürzlich haben wir auch die Werke von Christine Spengler ausgestellt. Sie ist die Einzige dieser Ausstellung, die noch am Leben ist. Es gibt für mich in der Fotografie viele „Herzensmomente“, denn dieses Medium berührt mich in besonderer Weise. Vor kurzem machte ich die Bekanntschaft von Lucas Leffler, einem jungen belgischen Fotografen, der 2021 im Salon Approche ausgestellt wurde. Ein Artikel, auf den er im Archiv stieß, gab ihm den Anstoß, mit der Fotografie auf der Basis von Schlamm zu experimentieren. In besagtem Artikel ging es um einen Bach nahe dem Werk Agfa-Gevaert, in dessen Schlamm sich Silber finden ließ. Die Fabrik für fotografische Produkte leitete über ihr Abwasser Silber in rauen Mengen in den Wasserlauf ab. Diese Geschichte, wie auch das Ergebnis daraus, bringt mich zum Träumen: Ich stöbere selbst in der Vergangenheit, um die Silberlinge aufzutreiben, die mir dieses Foto finanzieren.
Große Freude hatte ich auch an der Arbeit des chinesisch-japanischen Duos RongRong & inri im MEP. Ihr Werk wurde 2007 bei Les Rencontres in Arles ausgestellt. Ebenfalls zu nennen ist die libanesische Künstlerin und Fotografin Maria Kassab, die sich auf das politische und kulturelle Klima im Libanon und in der MENA-Region konzentriert. Sie mischt in ihrem Werk Fotografie, Bildbearbeitung und Video.