Imazighen in Nordafrika und die Diversität der Main-Metropole Frankfurt
Ferhat Bouda gibt uns mit seinen beeindruckenden Bildern einen Einblick in den Alltag der indigenen Ethnien in Nordafrika. Der algerische Fotograf dokumentiert seit über einem Jahrzehnt den Alltag der Imazighen. Die nomadischen Gemeinschaften stehen im Zentrum des Werkes von Bouda. Er zeigt das Wohnen in Zelt, Höhle oder Kanalisation, den Broterwerb auf Feld oder Müllhalde, das Unterwegssein auf Kamel und Motorrad. Dazu oft schemenhafte menschliche Silhouetten, die wie eins wirken mit der Umgebung, in der sie leben. Und doch ebenso bedroht, ob von Klimawandel, politischem Konflikt oder aus anderen Gründen.
In der Ausstellung FERHAT BOUDA. PHOTOGRAPHS AND DIARIES finden sich neben den Bildern zum Leben und Überleben der fragilen Kulturen in Nordafrika auch Aufnahmen aus Frankfurt am Main. Bouda zeigt bei unterschiedlichen politischen und kulturellen Veranstaltungen die Diversität der Main-Metropole Frankfurt.
Die Ausstellung kann vom 18. März - 22. Mai 2022 im Fotografie Forum Frankfurt besichtigt werden. Alle Informationen finden Sie beim Fotografie Forum Frankfurt.
Kurzprofil
Ferhat Bouda, 1976 geboren als Sohn einer Berberfamilie in Algerien, studierte Fotografie und ist Mitglied der Fotoagentur Agence VU. Seine preisgekrönten Foto-Essays sind in internationalen Zeitungen und Magazinen, darunter Le Monde, Geo, Paris Match, The New YorkTimes und Spiegel veröffentlicht, seine Bilder in Frankreich und Deutschland ausgestellt worden.
2017 erhielt er ein Stipendium der Hessischen Kulturstiftung, 2020 wurde er mit dem Ellen-Auerbach-Stipendium für Fotografie der JUNGEN AKADEMIE/Akademie der Künste, Berlin, geehrt. Die FFF-Ausstellung FERHAT BOUDA. PHOTOGRAPHS AND DIARIES wird auch im Rahmen dieser Stipendien gefördert.
Ferhat Bouda im Videointerview über seine Ausstellung "Photographs & Diaries"
3 WEITERE FRAGEN AN FERHAT BOUDA
Wie bist du eigentlich zur Fotografie gekommen?
Seit 2001 habe ich die Fotografie in Paris entdeckt. In Paris habe ich auf einer Schule einmal in der Woche Fotografie gelernt, auch in der Dunkelkammer. Und ab 2010 habe ich mit allen anderen Jobs aufgehört und nenne mich seitdem Fotograf. Für mich ist die Fotografie ein Engagement.
Frankfurt hat mir sehr geholfen: Als ich hierher kam, habe ich das Fotografie Forum Frankfurt (FFF) entdeckt und habe viele Workshops mitgemacht, zum Beispiel mit Anders Petersen, Stanley Green und Antoine d´Agata. Die haben mir sehr geholfen. Ich wollte schon in der Zeit von 2006-2010 Fotograf sein, aber es fehlte mir der Mut. Als ich diese Fotografen in den Workshops getroffen habe, habe ich endlich den Mut gefunden. Da ich gerne in der Dunkelkammer bin und meine Bilder selbst entwickle, fotografiere ich bis heute sehr viel in schwarz-weiß.
Inwiefern hat deine Heimat Algerien deine Arbeit geprägt?
Seit mindestens 2010 bis heute arbeite ich in dem Thema Berber oder Amazigh. Die Amazigh sind die Ureinwohner in Nordafrika, sie leben in Marokko vom Nordatlantik bis nach Siwa. Dort gibt es die letzten Berber in Nordafrika oder Ägypten. Das ist ein Volk mit einer eigenen Sprache und Kultur mit verschiedenen Religionen. Ich bin selbst ein Berber und habe die Sprache in meinem Dorf von meiner Mutter gelernt. In der Schule musste ich Französisch und Arabisch lernen. Das war normal für mich, aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es falsch ist, denn für ein Kind ist auch wichtig, seine Muttersprache zu lernen. So ist mir die Idee gekommen, dass ich etwas machen muss.
Der Grund, warum ich fotografiere ist eigentlich eine lange Geschichte und sehr persönlich. Meine Großmutter hat alles für die Freiheit und gegen den Kolonialismus getan. Generell haben Frauen unserer Kultur schon immer eine große Rolle gespielt, denn sie sind ein Rückgrat dieser Gesellschaft und Kultur. Eines Tages durfte meine Großmutter nicht mehr arbeiten, ist seitdem zu Hause vor dem Fernseher und es werden nur Filme in Französisch oder Arabisch gezeigt, die sie nicht versteht. Sie hat alles für die Freiheit getan und heute kann sie keinen Film in ihrer Muttersprache sehen oder im Radio hören. Daraus hat sich die Idee entwickelt, etwas in Algerien zu machen und so habe ich mich entschieden, nach Frankreich zu gehen, um Film zu studieren und einen Film für meine Großmutter in ihrer Sprache zu machen, woraus aber leider nichts geworden ist. Allerdings hatte ich dann 2011 meine erste Ausstellung in Algerien. Dort habe ich meine Arbeiten aus der Mongolei ausgestellt und danach gedacht, die Fotografie ist auch eine Sprache. Diese hat meine Großmutter gesehen sie hat das verstanden. Das hat mich sehr gefreut und es war auch eine Art Film für mich, eine Sprache, die man überall versteht.
Welchen Tipp möchtest du Amateur-Fotografen gerne geben?
Ich rate den Amateuren oder wenn jemand anfängt zu fotografieren: fangt mit eurer Familie an. Oder mit einem Thema eures Herzens. Nicht nur ein Thema, weil dort etwas passiert und ich mache ein Cover oder eine Publikation daraus. Für mich ist es sehr wichtig, nicht an eine Publikation zu denken. Wir müssen mit Vertrauen anfangen, auch mit Vertrauen in uns selbst. Und auch die anderen müssen Vertrauen in uns haben. Und es ist auch wichtig, dass wir viel Zeit brauchen. Viel Zeit für die Themen und die Zeit zum fotografieren. Manchmal machen wir eine Reise und haben nicht nichts geschafft und brauchen eine zweite Reise, eine dritte Reise, eine vierte Reise. Wenn ich selbst fotografiere, will ich mir keine Grenzen setzen, wann das Projekt fertig ist.