Lichtstärke von Objektiven

Von WhiteWall Redaktion

Die Bedeutung der Lichtstärke bei Objektiven

Die Lichtstärke eines Objektivs ist ein entscheidender Faktor in der Fotografie, der die Qualität und den Charakter deiner Bilder maßgeblich beeinflusst. In diesem Blog-Beitrag erfährst du alles, was du über die Lichtstärke von Objektiven wissen musst. Wir sprechen über die Vorteile von lichtstarken Objektiven, den Zusammenhang zwischen Lichtstärke und Schärfentiefe, das Bokeh und warum Festbrennweiten in der Regel lichtstärker sind als Zoomobjektive. Außerdem erklären wir, warum Teleobjektive mit langen Brennweiten häufig weniger lichtstark sind und welche Probleme bei der Abbildungsleistung sehr lichtstarker Objektive auftreten können.

Was ist Lichtstärke?

Die Lichtstärke eines Objektivs wird durch die größtmögliche Blendenöffnung beschrieben und gibt an, wie viel Licht auf den Sensor deiner Kamera fällt. Wie du bereits in Kapitel 3 über das Belichtungsdreieck gelernt hast, bedeutet eine kleine Blendenzahl, z.B. f/1,4, eine große Blendenöffnung, während eine große Blendenzahl, z.B. f/16, die Blende weiter schließt. Bei einer kleinen Blendenzahl gelangt also mehr Licht auf den Sensor als bei einer großen Blendenzahl. Objektive mit einer maximalen Blendenöffnung von f/1,8, f/1,4 oder sogar f/1,2 gelten daher als wesentlich lichtstärker als Objektive mit einer weiter geschlossenen Blende von maximal f/4 oder f/5,6. Für Fotografinnen und Fotografen ist die Lichtstärke ein wichtiger Indikator für die Qualität eines Objektivs, denn eine größere Lichtmenge, die durch das Objektiv eingefangen wird, bringt viele Vorteile mit sich. Als lichtstark gelten generell Objektive, deren Blende auf f/2,8 oder mehr geöffnet werden kann.

Wo liegen die Vorteile sehr lichtstarker Objektive?

Fotografieren bei schwachem Licht

Ein großer Vorteil lichtstarker Objektive ist ihre hervorragende Leistung bei schlechten Lichtverhältnissen. Ein Objektiv mit einer großen maximalen Blendenöffnung, wie z.B. f/1,4, lässt mehr Licht auf den Sensor fallen, wodurch kürzere Belichtungszeiten möglich sind. Das ist besonders nützlich bei Innenaufnahmen, bei Fotos in der Dämmerung oder bei Konzerten - also im Allgemeinen bei Aufnahmen mit wenig Umgebungslicht.

Angenommen, du möchtest eine Hochzeit in einer schwach beleuchteten Kirche ohne Blitz fotografieren, um das Brautpaar und die Gäste nicht zu stören. Wie du bereits in Kapitel 3 über das Belichtungsdreieck gelernt hast, steht die Blende in direktem Zusammenhang mit der Verschlusszeit und der ISO-Empfindlichkeit. Mit einem lichtstarken Objektiv kannst du die Belichtungszeit kurz genug wählen, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden, und gleichzeitig die ISO-Empfindlichkeit niedrig halten, um Bildrauschen zu minimieren.

Ein Beispiel: Bei ISO 800 und Blende f/4 zeigt deine Kamera in der schwach beleuchteten Kirche eine recht lange Verschlusszeit von 1/15 Sekunde an. In diesem Fall musst du beim Fotografieren aus der Hand mit Bewegungsunschärfe rechnen. Wenn du die ISO-Empfindlichkeit nicht weiter erhöhen möchtest, um Bildrauschen zu vermeiden, kannst du die Blende weit öffnen, wenn dein Objektiv entsprechend lichtstark ist und dies zulässt. Jede volle Blendenstufe verdoppelt die Lichtmenge, die auf den Sensor deiner Kamera fällt. Wenn du also bei ISO 800 die Blende von f/4 um eine volle Blendenstufe auf f/2,8 öffnest, verkürzt sich die Verschlusszeit auf 1/30 Sekunde. Öffnest du die Blende um eine weitere Blendenstufe von f/2,8 auf f/2, kannst du mit einer Belichtungszeit von 1/60 Sekunde fotografieren. Bei f/1,8 verkürzt sich die Belichtungszeit auf 1/125 Sekunde und bei f/1,4 ist die Verschlusszeit mit 1/250 Sekunde schließlich so kurz, dass du dir auch mit einem leichten Teleobjektiv wie z.B. 85 mm keine Sorgen mehr um Verwacklungsunschärfe machen musst. Gleichzeitig kannst du dir eine gute Bildqualität bewahren, weil du die ISO-Empfindlichkeit durch das Öffnen der Blende bei ISO 800 halten kannst und so das Risiko von Bildrauschen vermeidest.

Kreative Kontrolle über die Schärfentiefe

Lichtstarke Objektive bieten auch eine größere gestalterische Kontrolle über die Schärfentiefe. Je größer die Blendenöffnung, desto kleiner ist der scharf abgebildete Bereich im Bild. Mit einer großen Blendenöffnung wie f/1,8 oder f/1,4 kannst du die Schärfentiefe so weit reduzieren, dass nur dein Hauptmotiv scharf abgebildet wird und der Vorder- und Hintergrund unscharf bleiben. Das ist besonders nützlich bei Porträts oder Produktaufnahmen, bei denen du den Blick des Betrachters auf das Wesentliche lenken möchtest. Man spricht auch davon, dass das Motiv bei offener Blende vom Vorder- und Hintergrund freigestellt wird.

Lichtstarke Objektive ermöglichen in der Regel ein weicheres und angenehmeres Bokeh als lichtschwächere Objektive, da die große Blendenöffnung eine weichere Hintergrundunschärfe erzeugt. Vor allem extrem lichtstarke Objektive mit einer maximalen Blendenöffnung von f/1,2 gelten oft als wahre Licht- und Bokehkünstler.

Warum sind Festbrennweiten oft lichtstärker als Zoom-Objektive?

Festbrennweiten sind, wie der Name schon sagt, auf eine einzige feste Brennweite optimiert und können daher mit einer einfacheren optischen Konstruktion gebaut werden als Zoomobjektive, die mit einem variablen Brennweitenbereich arbeiten.  

Da Zoomobjektive einen großen Bereich verschiedener Brennweiten abdecken und bei jeder Brennweite eine möglichst konstante Abbildungsqualität bieten sollen, setzen die Hersteller hier im Vergleich zu Festbrennweiten auf komplexere optische Systeme mit oft mehr Linsenelementen. Um beispielsweise ein 24-70 mm Standardzoom mit der gleichen Lichtstärke wie ein 50 mm f/1,4 zu bauen, müsste eine sehr aufwendige Konstruktion mit recht großen Linsendurchmessern entwickelt werden, was das Zoomobjektiv nicht nur sehr teuer, sondern wahrscheinlich auch sehr schwer machen würde. Das gilt besonders für Vollformatobjektive, die einen größeren Bildkreis belichten müssen als Objektive für kleinere Sensoren. Vollformatobjektive arbeiten daher mit größeren Linsen, die bei lichtstarken Objektiven entsprechend schwer sind. Sehr große Blendenöffnungen von f/1,8 bis f/1,2 findet man daher in der Regel nur bei Festbrennweiten.

Das bedeutet aber nicht, dass es keine lichtstarken Zoomobjektive gibt. Alle großen Kamerahersteller bieten Zoomobjektive mit einer konstanten maximalen Blendenöffnung f/2,8 an. Dazu gehören üblicherweise ein Weitwinkelzoom mit z.B. 16-35 mm oder 14-24 mm mit konstanter Lichtstärke f/2,8, ein lichtstarkes Standardzoom mit 24-70 mm f/2,8 sowie ein Telezoom mit 70-200 mm f/2,8. Diese in der Regel drei Objektive richten sich in erster Linie an professionelle Fotografen und werden oft als “Trinity”-Objektive bezeichnet. Bei diesen Objektiven kann die Blende jederzeit bis auf f/2,8 geöffnet werden, unabhängig davon, mit welcher Brennweite gerade gearbeitet wird. Um auf das Beispiel der Hochzeitsfotografie in der schwach beleuchteten Kirche zurückzukommen: Mit einem 70-200 mm f/2,8 Telezoom kannst du bequem aus größerer Entfernung fotografieren und gleichzeitig die Blende so weit öffnen, dass du die ISO-Empfindlichkeit niedrig halten kannst, um eine bessere Bildqualität zu erzielen.

Neben diesen lichtstarken Profi-Zoomobjektiven gibt es viele preisgünstigere und kompaktere Zoomobjektive mit entsprechend geringerer Lichtstärke. Doch was bedeutet es eigentlich, wenn ein Zoomobjektiv, z.B. ein 15-30 mm, im Produktnamen mit einem Blendenbereich von f/4,5-6,3 gekennzeichnet ist? Der Blendenbereich bezieht sich auf die angegebene Brennweite. Bei der kürzesten Brennweite, in unserem Beispiel 15 mm, kann die Blende bis maximal f/4,5 geöffnet werden. Zoomt man auf 30 mm, so steht bei der längsten Brennweite nur noch eine maximale und damit im Vergleich geschlossenere Blende von f/6,3 zur Verfügung. Der Blendenbereich dazwischen wird von den Herstellern in der Regel nicht angegeben. In der Praxis wechselt das Objektiv nicht plötzlich von f/4,5 auf f/6,3. Die maximal mögliche Blendenöffnung wird stattdessen mit zunehmender Brennweite in kleinen Schritten immer weiter geschlossen. Auf diese Weise können lichtschwächere Zoomobjektive kompakter gebaut und für Fotobegeisterte mit kleinerem Geldbeutel günstiger angeboten werden.

Warum sind Teleobjektive mit langen Brennweiten oft weniger lichtstark?

Teleobjektive für die Tier- und Sportfotografie haben sehr lange Brennweiten, damit Fotografinnen und Fotografen große Entfernungen zu ihren Motiven überbrücken können. Das erfordert aufwendige Konstruktionen. Je länger die Brennweite, desto größer ist in der Regel das Objektiv. Und wenn es auch noch lichtstark sein soll, wird es zusätzlich schwer und teuer.

Ein Beispiel: Die sehr lichtstarke und für Profis gebaute Tele-Vollformat-Festbrennweite NIKKOR Z 400 mm 1:2,8 TC VR S bietet eine maximale Blendenöffnung f/2,8, wiegt aber rund 2,9 Kilogramm und kostet etwa 14.500 Euro. Das im Vergleich lichtschwächere Telezoom NIKKOR Z 28-400 mm f/4-8 VR deckt mit bis zu 400 mm die gleiche Brennweite ab - allerdings lässt sich hier die Blende nur bis maximal f/4 bei 28 mm und bis maximal f/8 bei 400 mm öffnen. Im Vergleich zum Profi-Tele fällt also deutlich weniger Licht auf den Kamerasensor, weshalb man beim Zoom entweder auf sehr viel Umgebungslicht angewiesen ist oder die ISO-Empfindlichkeit deutlich erhöhen muss. Dafür wiegt das NIKKOR Z 28-400 mm nur 725 Gramm und ist bereits für rund 1.550 Euro erhältlich. Die Lichtstärke hat also einen großen Einfluss auf die Qualität, die Größe, das Gewicht und den Preis eines Objektivs.

Welche Probleme können bei der Abbildungsleistung sehr lichtstarker Objektive auftreten?

Obwohl lichtstarke Objektive viele Vorteile bieten, können sie auch einige optische Herausforderungen mit sich bringen. Zu den häufigsten Problemen gehören chromatische Aberrationen (Farbsäume), Vignettierung und eine geringere Schärfe in den Bildecken bei maximal geöffneter Blende.

Chromatische Aberrationen

Chromatische Aberrationen, auch Farbfehler genannt, entstehen, wenn ein Objektiv verschiedene Farben (Wellenlängen) des Lichts unterschiedlich stark bricht. Dies kann zu Farbsäumen oder unscharfen Farbrändern an kontrastreichen Kanten im Bild führen. Lichtstarke Objektive mit großer Blendenöffnung (z.B. f/1,4) neigen besonders bei offener Blende stärker zu chromatischen Aberrationen.

Vignettierung

Unter Vignettierung versteht man den Helligkeitsabfall zu den Bildrändern hin. Bei maximal geöffneter Blende kann die Vignettierung bei sehr lichtstarken Objektiven stärker ausgeprägt sein. In der Regel verringert sich der Helligkeitsabfall sichtbar, wenn um zwei Stufen abgeblendet wird. Die Vignettierung lässt sich inzwischen aber auch gut in gängigen Bildbearbeitungsprogrammen korrigieren.

Schärfeverlust in den Bildecken

Viele lichtstarke Objektive erreichen ihre beste Schärfe erst beim Abblenden um ein bis zwei Blendenstufen. Bei offener Blende kann die Schärfe in den Bildecken und am Bildrand geringer sein als in der Bildmitte. Je besser ein lichtstarkes Objektiv bei großen Blendenöffnungen die Ecken auflösen kann, desto besser ist die optische Konstruktion und desto teurer ist das Objektiv.

Fazit

Die Lichtstärke ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Objektiven und beeinflusst viele Aspekte der Fotografie. Sehr lichtstarke Objektive erleichtern z.B. das Fotografieren aus der Hand bei schlechten Lichtverhältnissen und bieten kreativen Fotografen eine größere Kontrolle über die Schärfentiefe für ansprechende Freisteller mit weichem Bokeh. Sie sind jedoch oft mit einem höheren Gewicht, einem höheren Preis und potenziellen optischen Problemen verbunden.

Bei der Wahl des Objektivs solltest du deine eigenen Bedürfnisse und den Verwendungszweck berücksichtigen. Fotografierst du häufig bei schwachem Licht oder in Innenräumen, empfiehlt sich ein lichtstarkes Objektiv. Wenn du dagegen ein kompaktes und leichtes Objektiv suchst und häufig nur tagsüber bei gutem Licht fotografierst, kann ein weniger lichtstarkes Objektiv zu einem günstigeren Preis die bessere Wahl sein.

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