Kurzprofil
Guido Klumpe wurde 1971 in Osnabrück geboren. Trotz seiner angeborenen Sehbehinderung begeisterte er sich früh für die Fotografie. Nach dem Abitur will er sich für ein Studium einschreiben, doch die deutsche Bürokratie hält ihn auf: Als sehbehinderter Mensch sei er nicht geeignet für das Fotografie-Studium. Letztlich erinnert ihn Jahre später eine Dokumentation über bekannte Street Fotografen in New York an die Freude und Leidenschaft, die er mit seiner Street-Fotografie entdeckte.
Im Interview erzählt Guido Klumpe, wer ihn in seiner Jugend zur Fotografie gebracht hat, was ihn inspiriert und wie er arbeitet.
5 FRAGEN AN GUIDO KLUMPE
Kannst du mir ein bisschen darüber erzählen, wie du Fotograf geworden bist?
Zur Fotografie kam ich als Jugendlicher. Ich habe ehrenamtlich in einem Jugendzentrum gearbeitet. Der Leiter wusste, dass ich gut mit Technik umgehen kann und hat mich gefragt, ob ich nicht die Konzerte dort fotografieren möchte. Warum er ausgerechnet mich, den einzigen dort mit einer starken Sehbehinderung gefragt hat, ist mir ein Rätsel. Links bin ich blind und rechts schaffe ich ca. 25%. Aber es hat mich gepackt. Einige Wochen später hatte ich eine gebrauchte Spiegelreflexkamera und fotografierte verlassene Gebäude. Bald danach baute ich im Zentrum ein Fotolabor auf und zeigte den Kids die ersten Schritte mit der Kamera. Nach dem Abitur war ich 9 Monate in Asien auf Rundreise und entdeckte die Streetfotografie, ohne zu wissen, dass es das Genre überhaupt gab.
Ich war fasziniert von der Magie des entscheidenden Augenblicks. Wieder zurück in Deutschland war klar: Ich möchte Fotografie studieren. Dummerweise ging ich zur Berufsberatung, um mir ein paar Infos zu holen. Dort fragte man mich, wie ich bloß auf die Idee käme, ich könnte als jemand mit Sehbehinderung keinesfalls Fotografie studieren oder Fotograf werden. Telefonist oder Masseur wären doch auch schöne Berufe. Das hat mich sehr geschockt und ich ging in die soziale Arbeit.
2016 entdeckte ich meine Leidenschaft für das Genre durch eine Dokumentation über bekannte Streetfotografen in New York wieder.
Foto: Guido Klumpe
Erzähle uns gerne etwas über deine Bilder.
Ich sehe ich die Stadt als eine urbane Landschaft, deren Formen, Farben und Licht ich in Bezug zu ihren Bewohnern dokumentiere. Mir ist eine klare fokussierte Komposition wichtig. Mein Stil ist stark minimalistisch bis hin zum Abstrakten. Mir geht es weniger um technisch perfekte Wiedergaben des Wirklichen, sondern um eine humorvolle oder teilweise verwirrende Interpretation der städtischen Räume, die uns umgeben. Die Farben in meinen Bildern leuchten, da ich am liebsten an klaren, strahlenden Sonnentagen fotografiere.
Foto: Guido Klumpe
Was inspiriert dich? Und worüber wirst du inspiriert, sind es Filme, Bücher oder Zeitschriften? Oder das, was dich umgibt?
Momentan bin ich gerne in den Randgebieten und Ausfallstraßen von Städten unterwegs. Ich liebe die Gegenden, wo es viele Fabriken, Einkaufszentren, Autohäuser usw. gibt. Die farbigen Fassaden, grafische Formen und Menschen, die sich in diesen Szenerien bewegen, inspirieren mich. Es ist wie eine Kulisse, mit der ich spielen kann. Ich achte auf grafische Marker, an denen mein Auge hängenbleibt. Es ist, als wenn sie aufleuchten. Das kann alles Mögliche sein, z.B. ein Einkaufszentrum mit gestaffeltem Dach oder ein Poller vor einer farbigen Wand. Ich fange an, die Szenerie durchzuarbeiten, sie zu abstrahieren. Dafür drehe ich mehrere Runden um das Objekt, gehe in die Knie, gehe weit weg und nahe dran. Es ist wie Lego spielen: Im Kopf nehme ich alles auseinander und setze es neu zusammen.
Foto: Guido Klumpe
Ich suche Linien, die sich treffen, übereinander gesetzte Formen, die den Himmel in ein grafisches Element verwandeln usw. Für eine Tankstelle oder einen Möbelshop kann das locker über eine Stunde dauern. Am Anfang sehe ich nur das Offensichtliche, die spannenden Bildideen kommen nicht sofort. Manchmal stimmt auch das Licht nicht und ich komme an einem anderen Tag wieder. Oft überlagere ich mehrere Bildebenen und ziehe die Blende klein, damit alle Ebenen scharf werden und der Betrachter die Orientierung verliert. Mir geht es um den fragilen Moment, in dem sich dreidimensionale Elemente des Stadtbildes in eine zweidimensionale abstrakte Fotografie verwandeln, die eine ausgewogene Bildspannung zeigt. Ein gutes Bild ist für mich eines, das nicht sofort zu verstehen ist. Ein gutes Bild fängt die betrachtende Person ein und bringt sie dazu, sich Fragen zu stellen: Was ist das? Wo ist vorne und hinten? Was passiert außerhalb des Bildes? Am liebsten bin ich an sonnigen, klaren Tagen unterwegs, denn dann leuchten Farben ganz besonders und durch die harten Kontraste gewinne ich mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Wo immer möglich, versuche ich Menschen in die Szenerie einzubauen, doch das klappt nicht immer. Und da ich mich als Streetfotograf verstehe, würde ich nie Statisten nehmen, auch wenn das manchmal hart ist.
Foto: Guido Klumpe
Was war bisher das größte Highlight in deiner Karriere?
Am meisten habe ich mich bisher über die Einladung zur „Street Sans Frontières" Ausstellung im Mai in Paris gefreut. Da wurden Arbeiten der weltweit bekanntesten Streetfotografen gezeigt.
Was hast du für den Rest des Tages vor?
Erst mal einen leckeren Kaffee kochen und danach noch eine kleine Runde mit der Kamera raus.